Der Vorstand informiert

 

  1. Herr Konsul a. D. Hermann Sieger hat uns, Bezug nehmend auf die Äußerungen von Dr. Schröder, einen Brief geschrieben. Wir möchten auszugsweise die Meinung von Konsul Sieger wiedergeben:

      „Wie Sie wissen, stand ich persönlich in Verbindung mit Wernher von Braun, auch mit Herrn Stuhlinger, Herrn Dornberger und anderen Mitgliedern des Teams aus       Peenemünde…Raketenpioniere der Frühzeit, wie etwa Herr Ing. Schmiedl waren bei mir       zuhause und ich habe mit diesen persönlichen sprechen können. Kosmonauten und    Astronauten zählten und zählen zu meinen persönlichen Bekannten,…

      Kurzum – ich kenne mich mit dem, was die Peenemünder Gruppe in den USA geleistet           hat, sehr gut aus und weiß auch sehr viel aus Gesprächen mit prominenten Mitgliedern             und auch normalen Mitarbeitern der Peenemünder Gruppe.

      Zu dem was der Herr Dr. Schröder da alles geschrieben hat, gibt es ein passendes

      Zitat von Schiller:

 

                  „Es liebt die Welt, das Strahlende zu schwärzen

                  und das Erhabene in den Staub zu ziehn,…“

 

      Es ist ganz klar, dass es gewissen Medien eine Freude macht, über Wernher von          Braun herziehen zu können – siehe Zitat.

 

      Das, was Herr Dr.  Schröder schrieb, würde man hier bei uns in Württemberg als die       Ausführungen einer „gekränkten Leberwurst“ ansehen und nicht weiter ernst nehmen,    obwohl das Ganze ärgerlich ist.

 

      Ich denke, man sollte das den betreffenden gönnen, aber anschließend wieder zur       Tagesordnung übergehen und diese Ausführungen als das nehmen, was sie aller

      Wahrscheinlichkeit nach sind – Reaktion von jemand, der glaubt zu kurz gekommen zu           sein.“

 

      Mit freundlichem Gruß

 

      Hermann Walter Sieger

 

  1. Herr Dr.-Ing. Joachim Wernicke hat sich ebenfalls zu Wort gemeldet. Ihm geht es um die aktuelle Entwicklung in Peenemünde.

      Hier sein Brief an uns:

 

 

Dr.-Ing. JOACHIM WERNICKE                                                                14167 Berlin-Zehlendorf

       Beratender Ingenieur                                                                           Schottmüllerstraße 28

 

 

Förderverein Peenemünde

Waldstraße 3

17449 Karlshagen                                                                                                                         3.Juli 2011

 

Diskussionsbeitrag für ggf. Abdruck in Infoblatt Ausgabe 3-2011

Sehr geehrter Herr Schmidt, sehr geehrter Herr Felgentreu,

im Hinblick auf die aktuellen Entwicklungen möchte ich gern folgenden

Diskussionsbeitrag einbringen, in Reaktion auf den Leserbrief von Hr. Helm und

ggf. für den Abdruck im nächsten Infoblatt des Vereins:

,,Mit Verwunderung habe ich im Infoblatt 2-2011des Vereins über einen ,,neuen

Förderverein" in Peenemünde gelesen. Hr. Helm(Norderstedt) hat in seinem (auf

Seite 14 des Infoblattes abgedruckten) Leserbrief Fragen thematisiert, die sich auch

mir aufdrängen und die das Infoblatt leider nicht beantwortet.

 

Selbst langjähriges Mitglied (seit 1992), habe ich (Jahrgang 1940) zur Situation

folgende Anmerkungen:

 

1.    Der Kern der technischen Leistung in Peenemünde während der NS-Zeit

war der praktische Beweis der damals weithin angezweifelten Thesen: (a)

Große Flüssigkeitsraketen sind realisierbar, d.h. die für den Antrieb

benötigte permanente Explosion kann kontrolliert werden (die thermische

Triebwerksleistung der A4/V2-Rakete liegt bei der Hälfte eines heutigen

Atomkraftwerks); (b) ein solches Fluggerät ist steuerbar und (c) damit ist

das Verlassen der Erdatmosphäre möglich. Dieser Nachweis wurde erbracht

von einem Team, dessen führende Köpfe bereits vor der NS-Macht-

übernahme von der Idee der Raumfahrt inspiriert waren, was damals einem

Zeitgeist entsprach. Der Höhenflug der A4/V2-Rakete am 3. Oktober 1942

machte somit Peenemünde historisch zum ,,Geburtsort der Raumfahrt", auch

wenn dieser Flug im Rahmen eines militärischen Programmes erfolgte.

 

2.    Bereits während der Entwicklung der A4/V 2 als Artillerierakete war klar,

dass der Schadensradius im Hundertmeter-Bereich, die Trefferstreuung aber

im Kilometer-Bereich liegen würde, damit im militärischen Nutzen

zweifelhaft. Der unterschiedslose Einsatz gegen Flächenziele, also der

 

Beschuss oder die Bombardierung von Städten, ist seit 1907 kriegs—

völkerrechtlich verboten (Haager Landkriegsordnung); dieses Verbot wurde

jedoch im Zweiten Weltkrieg allseits missachtet.

 

3.    Die Bewertung der persönlichen Verhaltensweisen und Einstellungen der

leitenden Peenemünder in ihrer Zeit ist aus der rückblickenden Betrachtung

unvermeidlich kontrovers. Einiger Konsens wird sich über Opportunismus

und politische Naivität finden lassen, aber ein überragendes Maß an

Verantwortungslosigkeit oder die Mittäterschaft an NS-Verbrechen dürfte

für die meisten leitenden Peenemünder umstritten bleiben.

 

4.    Der Förderverein ,,Peenemünde - Geburtsort der Raumfahrt e.V." wurde

1991 gegründet, um am authentischen Ort die technische Leistung zu

zeigen, im Kontext der Zeitgeschichte, im ,,Historisch-technischen

Informationszentrum" (HTI). In den zwanzig Jahren seither zeigte sich aber,

dass dieses Ziel bisher nicht realisierbar war. Das HTI stand von Anfang an

und ab 1992 zunehmend unter staatlicher Einflussnahme. Die herrschende

,,Po1itical Co1rectness" legt den Fokus auf das Gedenken an die NS-

Verbrechen und meidet die Darstellung von Leistungen aus jener Zeit. Die

museumsamtliche Jubiläumsbroschüre ,,20 Jahre Museum Peenemünde"

legt davon Zeugnis ab.

 

5.    Angesichts der Defizite des Museums Peenemünde im technikhistorischen

Bereich und des nach wie vor starken Besucherinteresses an diesem Bereich

scheint der Gedanke nicht abwegig, die Lücke durch ein neues Museum zu

schließen, womöglich auf dem Gelände des ehemaligen Prüfstands VII, dem

Ort des historischen Geschehens vom 3. Oktober 1942. Aber abgesehen von

den wirtschaftlichen Fragezeichen eines solchen Vorhabens und der

Gefahrdung des mühsam Erreichten erscheint die Realisierung gegen die zu

erwartenden Widerstände aus der Politik in der überschaubaren Zukunft

kaum vorstellbar, zumal sachliche Hemmnisse solche Widerstände

begünstigen: bundeseigenes Gelände, Munitionsbelastung, fehlende

regionale Bauleitplanung, geplante Geländeüberflutung in Peenemünde.

 

6.    Die technische Leistung des Peenemünder Teams in der NS-Zeit ist

international anerkannt. In Deutschland ist die Zeit für eine neutrale

Darstellung dieses Zeitabschnittes noch nicht gekommen. Immerhin stehen

mit welcher offiziellen Begründung auch immer - nach wie vor fremde

Truppen im Land, sogar mit Atomwaffen. Es ist aber damit zu rechnen, dass

eines Tages die technische Leistung in einem Museum in Peenemünde

erlebbar wird, im Kontext der Raumfahrt, aber auch der NS-Verbrechen,

Zwangsarbeit, Städtebombardierungen und Völkerrecht - und in der

internationalen Vereinnahmung der Peenemünder Ergebnisse für die

Atomrüstung, durch die eine Handvoll Staaten seit Jahrzehnten den Bestand

der Zivilisation gefährdet.

 

7.    Für ein solches künftiges Museum Peenemünde Dokumente, Berichte und

Anschauungsstücke zu sammeln und zu sichern, ist und b1eibt- ungeachtet

momentaner lokaler Turbulenzen - die Rolle der Generation der ,,Kinder der

Peenemünder", aus der naturgemäß die Mehrheit der Mitglieder des ,,alten"

Fördervereins stammt, meist motiviert aus der persönlichen Geschichte.

Man mag sich ein anderes Museum Peenemünde wünschen, aber wohl

unstrittig sind die Originalstücke und Dokumente im heutigen Museum

Peenemünde gut verwahrt, und so erscheint es mir sinnvoll, wie bisher

weiterzumachen und den ,,alten" Förderverein Peenemünde nach Kräften zu

unterstützen.

 

8.    Die zivile Anwendung der in Peenemünde einst geschaffenen Technik hat

derart starke und laufend wachsende Auswirkungen auf die Lebenswelt,

dass diese Technik wohl früher oder später als Teil der nationalen Kultur-

tradition anerkannt werden wird."

 

Mit freundlichen Grüßen

 

 
Wir danken für die eingegangenen Spenden
Herrn Norbert Höllerer              300,00€

 

 

 

Post von unseren englischen Freunden, John und William Pavelin

 

In einem Brief vom 01. August 2011 haben sich die Brüder Pavelin an Herrn Udo Michallik, Ministerium für Kultur, gewandt. Diesen Brief haben sie uns zur Veröffentlichung überlassen. Wir möchten unseren Lesern deshalb den Inhalt zur Kenntnis bringen.

Sie haben diesen Brief geschrieben, um uns bei der Erhaltung der Überreste des Peenemünder Raketenforschungszentrums zu unterstützen.

 

Sie schreiben:

„In der „Times“ vom 20.04.2011 haben wir einen Artikel darüber gelesen, dass man das Gebiet der ehemaligen Forschungsanstalt Peenemünde überfluten will. Das ist unglaublich, wir denken, es gibt keinen richtigen Grund dafür.

Wir lebten unter der Flugstrecke der V2, aber wie auch immer, möchten wir unsere volle Unterstützung zur Erhaltung dieser historischen Landschaft zum Ausdruck bringen.

In den kommenden hundert Jahren wird es für die Geschichte der Erforschung des Weltalls zur wichtigsten Landschaft der Welt – der erste Ort auf der Erde, wo eine Flüssigkeitsrakete erfolgreich gestartet wurde, die die Grenze des Universums erreicht hat und damit der direkte Vorgänger von Raumflugkörpern wurde. Heute nutzen wir die Satellitenkommunikation auch zur Warnung vor Naturkatastrophen und für globale Rettungs- und Hilfsmaßnahmen.

 

Hermann Oberth machte in den 20-igern Jahren Experimente mit Flüssigkeitsraketen. Sein Ziel war es den Weltraum zu erobern. Wernher von Braun hat sich ebenfalls schon in frühen Jahren für die Raumfahrt interessiert.

Wir akzeptieren, dass die V2 als Waffe entwickelt wurde, aber das muss die Welt so sehen, in der Vergangenheit und Gegenwart. Männer und Frauen, die an der friedlichen Forschung und Produktion beteiligt waren, sind auch in Aktivitäten zur Unterstützung für die Waffenproduktion involviert, dafür ist die Atomkraft ein perfektes Beispiel.

Wir müssen einfach den Blick weiter fassen und über die militärische Anwendungen hinaus blicken, in Richtung des Potenzials für die Erforschung des Weltalls, zum Wohle der Menschheit.

So können wir z. B. das erste Mal in der Geschichte unseres Planeten uns vielleicht vor großen Meteoritenangriffen schützen. Ohne die bahnbrechenden Ergebnisse von Peenemünde wären wir dazu nicht in der Lage. Es gibt schon eine Institution, die solche Objekte aufspürt.

Peenemünde war ein Forschungs- und Entwicklungszentrum, kein Ort, um Raketen auf andere abzufeuern. Die Entwicklung der ersten großen Flüssigkeitsrakete auf der Welt, fand (hier)in Europa statt. Wir müssen das anerkennen und diesen wichtigen Ort erhalten. Es war zweifellos der erste Schritt der Menschheit zu den Sternen. Das Schicksal bestimmt seinen eigenen Kurs in der Geschichte. Die Wissenschaftler, die an dem Raketenprojekt gearbeitet haben, auch wenn sie es nur ahnten, waren einem Objekt nahe gekommen, das den Weltraum erreichen kann.

 

Am 13. Oktober 1944, um 7.25 Uhr, schlug eine V2 auf der Farm unseres Großvaters ein. Wie oft passiert, zerfiel die Rakete nach dem Wiedereintritt in die unteren Luftschichten. Der Gefechtskopf explodierte in der Nähe einiger Viehställe, riss einen Krater, aber verursachte nur wenige Beschädigungen. Zusammen haben wir viele interessante Teile gefunden. Einige haben wir 59 Jahre später dem Peenemünder Museum zur Ausstellung übergeben.

 

Wir sind überzeugt, dass Peenemünde ein wichtiger Ort für die Welt ist. Hier wurde geforscht und entwickelt und Raketen nur für Versuchszwecke gestartet. Diesen Ort zu zerstören würde bedeuten, dass Europa seinen rechtmäßigen Platz in der vordersten Front bei der Erforschung des Weltraums verlieren würde.

Was wir damit sagen wollen, ist, dass dieser bedeutende Ort der Nachwelt erhalten werden muss, damit wir immer die Gelegenheit haben, am Geburtsort der Raumfahrt zu stehen und darüber nachzudenken, dass sich Gut und Böse auch in der Weltraumforschung die Waagschale halten. Das moralische Gleichgewicht ist noch heute so, z. B. die Stammzellenforschung, die Lasertechnologie, die Atomkraft etc.

Wir brauche Orte wie Peenemünde, die uns daran erinnern, wie wichtig es für uns alle ist, das Gleichgewicht zu halten.“

 

Mit freundlichen Grüßen

 

W. Pavelin                 J. Pavelin

 

Historikerstreit

 

Welt Online 19.06.2011

Raketen

Autor: Ulli Kulke|27.05.2011  

Historikerstreit – Baute Wernher von Braun die V2?

War Wernher von Braun der geniale Manager von Hitlers Raketenschmiede? Wissenschaftler glauben, dass er von der Planung der Rakete V2 ausgeschlossen war.

Ist Kolumbus nur als Schiffsjunge nach Amerika gefahren, war Goethe nur ein billiger Plagiator? Solche Fragen mögen absurd erscheinen. Doch bei einer anderen Ikone der Geschichte wird sie gerade ganz ernsthaft gestellt: Hatte Wernher von Braun (1912-1977) in Wahrheit vom Raketenbau gar keine Ahnung? Hat er seine Zeitgenossen und die Nachwelt nur geblufft? Er, der für Hitler angeblich die Rakete V2 entwickelte, von denen die Nazis Tausende nach London und Südengland schossen, und auf deren Basis später für die Amerikaner die Mondrakete "Saturn V"?

Zwei Wissenschaftler der Technischen Universität Cottbus wandten sich kürzlich mit einer Erklärung an die Öffentlichkeit, mit der sie diese Sichtweise nahelegen – "ohne die genauere Erforschung vorschnell vorweg nehmen zu wollen", wie sie schreiben. Sie stützen sich auf das Dossier eines früheren Mitarbeiters von Brauns, aus dem ihrer Ansicht nach hervorgeht, dass dieser bei der V2 nach einigen Misserfolgen "von jeglicher Planung ausgeschlossen war".

Paul Schröder

 

Verhältnis zu Wernher von Braun

Paul Schröder war Ende der 30er Jahre einer der führenden Ingenieure, die in Peenemünde unter Wernher von Braun an der Raketenentwicklung beteiligt waren. Wegen persönlicher Differenzen – Schröder hielt von Braun für arrogant, von Braun hielt Schröder für einen unverbesserlichen Pessimisten – wurde Schröder in den 40er Jahren auf unbedeutenderen Posten abgeschoben.

Zitate: von Brauns Leistung…

Paul Schröder schreibt: "Für die Entwicklung der VS Rakete wurden alle wesentlichen Entscheidungen, die an sich Sache des technischen Direktors gewesen wären, nicht von Braun, sondern von Dr. Dornberger gemacht (Generalmajor bei Ende des Krieges). Keiner der erfolgswichtigen wissenschaftlichen oder technischen Beiträge stammt von Braun.

 

... Karriere ...

Seiner Ernennung zum Referenten des Waffenamts und technischen Direktor erfolgte auf Grund seiner verwandtschaftlichen Beziehungen. Seine einflussreiche Familie verhinderte auch, dass er für Rückschläge verantwortlich gemacht wurde, die ganz klar auf seine Unfähigkeit zurückgingen, diese Stellung auszufüllen.

... Inkompetenz ...

Dornberger nahm ihm so weit als möglich die tatsächliche Leitung Peenemündes aus der Hand. Zwischen 1938 und 1942 war Brauns Title (in technischer Hinsicht) kaum mehr als eine Formsache. Als er Ende 1942 wieder Handlungsfreiheit erhielt, gelang es ihm, das bereits vorhandene Gerät gründlich zu verderben. Aber schließlich flog das Gerät wieder, wenn auch niemand mehr bestimmt voraussagen konnte, wohin.

... und Selbststilisierung

Dafür erhielt Braun von Hitler den Professortitel. Selbstverständlich war Braun Parteimitglied, was ihn natürlich nicht daran hindert, hier in den Vereinigten Staaten zu behaupten, er habe unter ,Hitlerterror' (sein Ausdruck) zu leiden gehabt."

Das Papier

Bei dem Zitat handelt sich um die deutsche Zusammenfassung eines ausführlichen Papiers („How the German V2 Rocket came into being“), das Paul Schröder in den 50er Jahren in den USA verfasste und das er dort an Medien und Regierungsstellen verteilte. Ein Exemplar findet sich im Militärarchiv des Bundesarchivs in Freiburg.

Uta Mense, Denkmalpflegerin an der Hochschule, spürte die Papiere im Rahmen einer Arbeit über die frühere Heeresversuchsanstalt Peenemünde kürzlich im Militärarchiv des Bundesarchivs in Freiburg auf. Bei dem Autor des Dossiers handelt es sich um Paul Schröder, der Ende der 30er Jahre bei den Raketenversuchen in Peenemünde in von Brauns Team als Mathematiker an der Entwicklung der Flugsteuerung beteiligt war.

In den 50er Jahren wandte er sich mit dem Schriftsatz in Amerika an die Presse und an Regierungsstellen. Von Braun war bereits 1945, gemeinsam mit etwa 100 seiner Mitarbeiter aus Peenemünde, von den Amerikanern im Rahmen des Projektes "Paperclip" in die USA geholt worden, um dort die Raketenforschung voranzutreiben.

Schröder habe mit seinem Schriftsatz "die US-Behörden auf diverse Inkompetenzen des ehemaligen Technischen Direktors aus Peenemünde aufmerksam machen wollen, weil seiner Ansicht nach die Weiterentwicklung der Raketentechnologie in den USA behindert wurde", heißt es in der Erklärung aus Cottbus.

Schröder zählte 1945 nicht zu den Übersiedlern um von Braun, zog 1952 aus eigenen Stücken in die USA, arbeitete dort bei der Luftwaffe, ging 1958 zurück nach Deutschland und starb 1960. So konnte er nicht mehr miterleben, wie von Braun in den 60er Jahren zum Weltstar avancierte, der die Entwicklung der Mondrakete "Saturn V" entscheidend vorantrieb und an allen Raumfahrtprogrammen von "Mercury" über "Gemini" bis "Apollo" führend beteiligt war.

Insbesondere bei der Steuerungstechnik habe von Braun damals schmählich versagt, schreibt der Kritiker und geht sehr ins Detail, führt dabei viele Fälle an, bei denen seine eigene Einschätzung sich als die treffendere und die seines Vorgesetzten von Braun als die falsche herausgestellt habe. An gleich mehreren Stellen des Schriftsatzes stellt er die Bedeutung seiner eigenen Person pointiert heraus: Anlässlich der Verleihung eines Ordens an ihn habe General Walter Dornberger, Kommandeur der Versuchsanstalt, gesagt: "Wenn Schröder nicht in Peenemünde gewesen wäre, gäbe es keine V2."

Aus der Abwesenheit von Brauns bei wichtigen Sitzungen schließt Schröder, dass Dornberger von Braun für mehrere Jahre alle Kompetenzen entzogen habe, während er, Schröder, als Mitarbeiter in der Achtung der anderen Kollegen stets gestiegen sei. Auch kann er sich einen längeren Seitenhieb auf die Doktorarbeit von Brauns nicht verkneifen:

Doktor dank guter Beziehungen

Sie bestehe aus einer "Bildersammlung" sowie einem Text, der "etwa dem Niveau eines Studenten im zweiten Semester entspricht". Und: Man habe dem Aspiranten dafür den Doktor der Philosophie verliehen, nicht den für Naturwissenschaften, wie der promovierte Ingenieur Schröder kritisch despektierlich anmerkt. Den Doktorgrad überhaupt habe von Braun allein den guten Beziehungen seiner Familie zu verdanken.

Stürzt das Denkmal von Braun nun ein? Wie ist der Fund aus dem Freiburger Archiv zu beurteilen? Eine Bewertung des Dossiers (zu dem auch ein Briefwechsel Schröders unter anderem mit Dornberger gehört) durch Raumfahrthistoriker hatten die Cottbusser Wissenschaftler vor ihrem Gang an die Öffentlichkeit nicht ins Auge gefasst. "Der Fund war als solcher schon Nachricht genug", sagt Leo Schmidt, an der Cottbusser TU Chef der Finderin Uta Mense, zu "Welt Online".

Braun fand ihn unerträglich pessimistisch

Michael Neufeld, Raumfahrtexperte am "National Air and Space Museum" in Washington, hat vor vier Jahren die mit Abstand gründlichste und mit knapp 700 Seiten umfangreichste Biografie über Wernher von Braun vorgelegt ("Wernher von Braun. Visionär des Weltraums – Ingenieur des Krieges". Siedler Verlag). Darin kommt auch Schröder vor, freilich nur in einer kurzen Passage: "1937 hatte von Braun einen begabten Mathematiker, Dr. Paul Schröder, für die Leitung der kleinen Abteilung zur Theorie der Steuerung angeworben, aber die beiden kamen nicht gut miteinander aus.

Der Mathematiker hielt den Ingenieur für arrogant und anmaßend; von Braun fand ihn unerträglich pessimistisch. 1939 schob er ihn mit Dornbergers Einverständnis ab und heuerte Dr. Hermann Steuding von der Technischen Universität Darmstadt an." Hat sich da in den 50er Jahren also ein gekränkter Geist seinen Frust von der Seele geschrieben, voller Neid und Missgunst, ohne etwas Neues über den großen Raketenmann ans Licht zu bringen?

"Eine sehr einseitige Sicht auf die V2"

Neufeld – der seinen Protagonisten für die Zuarbeit von KZ-Arbeitern für seine V2 im Buch deutlich zur Rechenschaft zieht – sieht es genauso. Auch wenn er gar nicht in Frage stellt, dass von Braun Fehler beging und schon gar nicht dass er, der "Manager", die meisten Ingenieurleistungen an die Abteilungen delegiert habe. Auch als Manager habe er Fehler begangen, all dies sei bekannt. Dabei habe er sich – dies auch aus purer Neugier – ständig um technische Details gekümmert, mit mancher Fehleinschätzung. Ihm allerdings Inkompetenz bei der Entwicklung der Flugsteuerung vorzuwerfen, ist aus Neufelds Sicht absurd.

Noch absurder die Feststellung, ihm sei dafür von Kommandeur Dornberger jede Mitsprache untersagt worden. Schröder, der zwei Jahre dafür zuständig war, habe die Zuarbeit von Siemens und anderen Firmen besorgt, nach der Versetzung Schröders habe von Braun genau für diesen Bereich eine neue Abteilung aufgebaut, die diese Abhängigkeit von der Privatwirtschaft vermindern sollte. Neufeld sieht Schröders Papier als eine "sehr einseitige Sicht auf die Entwicklung der V2".

Strategische Besprechungen mit Hitler

Durchgehend übte von Braun das Amt des Technischen Direktors der Versuchsanstalt aus, bis 1945. Über all die Jahre war von Braun immer wieder dabei, als Dornberger strategische Besprechungen mit Hitler, mit Rüstungsminister Fritz Todt und seinem Nachfolger Albert Speer oder anderen nationalsozialistischen Größen abhielt.

Mit Dornberger und mit Speer war er eng befreundet. Neufeld zitiert an mehreren Stellen von Brauns Sekretärin Dorette Schlidt (sie lebt heute noch an seiner US-Wirkungsstätte Huntsville), die von mehreren Sitzungen in Peenemünde über technische Details berichtet, alle unter der Leitung von Brauns, in denen natürlich auch Kritik am technischen Fortgang deutlich geäußert wurde.

Die Cottbusser Wissenschaftler stellen nicht in Abrede, dass von Braun aufgrund seiner Eloquenz und seines überzeugenden Auftretens als "Repräsentant" für die V2-Entwicklung durchgehend gefragt und auch im Einsatz war. Die Entwicklung der Technik aber habe er anderen überlassen müssen, betonen sie.

Von Brauns Stärke war das Management

So mag es gewesen sein. Aber was ist daran neu? "Nichts", sagt Jesco von Puttkamer, der 1963, frisch von der Technischen Hochschule Aachen kommend, zu von Brauns Team in Huntsville stieß. Er war maßgeblich am Mondfahrt-Projekt beteiligt und ist heute noch bei der Nasa beschäftigt, als "Chefvisionär", als gefragter Berater und als Gedächtnis aus den frühen Jahren der Raumfahrt. Der findet die Aufregung um Schröders Dossier "zum Schreien komisch", wie er "Welt Online" sagt, wenn auch das Schriftstück selbst über weite Strecken korrekt sei.

Es zeichne allerdings "von Braun nicht im geringsten" in dem Licht, in dem ihn die Erklärung der Cottbusser Wissenschaftler und daraufhin auch einige voreilige Beiträge in den Medien jetzt erscheinen ließen. "Niemand hat behauptet, von Braun hätte die Flüssigkeitsrakete erfunden oder die V2 allein entwickelt." Er selbst, von Puttkamer, habe stets erklärt, "dass von Braun kein Spitzenwissenschaftler war, also ein alle überragender Spezialist, sondern einfach ein enorm durchintegrierter Generalist. Seine Stärke war das Management."

Visionen lange vor dem "Sputnik-Schock"

Was den langjährigen Mitarbeiter von Brauns an dem Dossier besonders gut gefällt, ist die ausführliche Beschreibung der Träumereien von Brauns über die Reise zum Mond und zum Mars. Für Schröder waren sie einer der Kritikpunkte, auf die er die Regierung in Washington aufmerksam machen wollte. Dies zu einer Zeit, als dort noch niemand über die Weltraumfahrt nachdachte, der "Sputnik-Schock" noch ausstand, als alle Raketenüberlegungen noch in Richtung Sowjetunion gingen, nicht zum Mond.

Dabei hatte von Braun nie einen Hehl gemacht aus seinem wahren Ziel, eben den anderen Himmelskörpern. Hin und wieder sprach er – im kleinen Kreis – auch in Peenemünde davon, wo dies streng verboten war. Seine fernen Visionen gelten denn auch als ein Anlass dafür, dass er 1944 von der Gestapo verhaftet wurde, 14 Tage im Gefängnis saß und nur durch Vermittlung von Speer und anderen Nazigrößen frei kam, wie Neufeld ausführlich berichtet.

Mehr Publicity, als ihm lieb war

Wenn Schröder im Hinblick auf die Himmelsträumereien kritisch an die Adresse Washingtons schreibt, von Braun sei immer der kleine Junge geblieben, auch bei seiner ernsthaften Arbeit in Peenemünde, so sagt Puttkamer heute, dass genau dies der Grund dafür gewesen sei, warum von Braun die Menschen in seiner Umgebung so hingebungsvoll begeistern konnte.

Seine Haft und seine Vorliebe fürs Weltall führte von Braun nach seiner Übersiedlung in die USA schließlich selbst immer wieder an, um seine Verstrickung in Nazi-Gräuel und seine Bedeutung insgesamt herunterzuspielen. Es war gerade die Forschung, die ihn ins Zentrum der Raketenforschung hob, auch in den 60er Jahren in den USA, als ihm die Publicity mehr als einmal zu viel wurde.

Kein Vergleich mit Guttenberg

Bleibt noch die inkriminierte Doktorarbeit. Offenbar war Schröder bei seiner Kritik eines nicht klar, was heute durch eine fünfminütige Recherche im Internet jeder sehen kann. Viele Universitäten, darunter auch die renommiertesten des Landes, vergeben – und vergaben damals – für Promotionen in Physik den Titel "Dr. phil".

Auch wurde von Brauns Dissertation, die laut Neufeld ("hervorragend") aus etwa 150 Seiten bestand und nicht aus Bildern, sondern aus seitenlangen Formeln, nach dem Krieg in einer renommierten Fachzeitschrift nachgedruckt. Insofern ist es vielleicht doch wieder etwas voreilig, wenn jene Zeitschrift aus Hamburg, die sich schon einmal darin übte, Wesentliches aus dem Dritten Reich "umzuschreiben", jetzt den Fall Wernher von Braun mit dem Fall Guttenberg vergleicht.

Vor fünf Jahren – Treffen mit drei Raumfahrtgrößen in Huntsville

 

(Auszüge aus dem Tagebuch von Axel Kopsch, IFR)

 

Dienstag, 17. Oktober 2006

Treffen mit Konrad Dannenberg (+ 2009) am Personaleingang für VIPs und Insider. Er erläutert uns die Ausstellung und führt uns zu diversen Raketenmotoren: A4, sowie F-1,  J-1 der Saturn und erklärt technische Feinheiten der Entwicklung, Kühlung, thermischen Spannungen, Materialien, Tricks, Erfindungen und Weiterentwicklung. Im Außenfeld sehen wir das Shuttle, die Redstone, Saturn 1, Saturn 5 liegend, Atlas u.v.m… Das A4, Mutter aller Raketen, ist ausführlich dargestellt als wertvoller Technologiebeginn dessen, was man heute Raumfahrt nennt.

 

Donnerstag, 19. Oktober 2006

Heute besuchen wir Dr. Walter Häussermann (+ 2010). Er war ab 1939 in Peenemünde, frühzeitig abkommandiert von der Front, kam 1947 zu W. von Braun in die USA. Ihn schmerzt insgeheim die systematische Nichtbeachtung in Deutschland, diese Art von politisch korrekter Ächtung, die ihre alte Heimat sich leistet, wie wir dies auch bei Konrad Dannenberg heraushörten. Dr. Häussermann war seit Peenemünde und später während der Arbeiten an der Saturn 5-Entwicklung Experte für Lageregelung, Analogrechner und Kreiselsysteme hoher Genauigkeit. Dr. Häussermann widmet uns zwei Stunden für ein intensives und fachsimpelndes Gespräch.

 

Freitag, 20. Oktober 2006

Das Haus auf dem Monte Sano wurde gleich gefunden und wurden von Frau Stuhlinger empfangen. Ohne Vorbehalte sind wir in eine Unterhaltung mit Prof. Ernst Stuhlinger (+ 2008) eingestiegen, der Professor ist sehr liebenswert, läuft schwer und mit Schmerzen. Eine Stunde war für ein Gespräch verabredet, es werden zwei. Ich erhalte das Fachbuch von Prof. Stuhlinger,



 „Ion „Propulsion for Space Flight“, erschienen 1963, heute eine Referenz, die vergriffen ist, mit persönlicher Widmung,…Sehr herzlicher Abschied nach Autogramm und Fotos.

 

 

Gefunden in Raumfahrt Concret Heft 66, Ausgabe 1/2011

K. F.

 

Space-Shuttle-Ära zu Ende – Oder nicht?

X-37B                    Bild  PM 04/2011

 

 Mit der Landung der Raumfähre „Atlantis“ in Cape Canaveral am 21. Juli 2011 endete nach mehr als 30 Jahren die Ära der Space Shuttle. Künftig werden Astronauten, Verpflegung und Material mit russischen Sojus-Raketen zur ISS gebracht werden.

Das hätte sich Wernher von Braun nicht träumen lassen!

Wegen zu hoher Kosten hat Präsident Obama Pläne für ein Shuttle-Nachfolgeprogramm weitgehend auf Eis gelegt. Privatunternehmer sollen es richten. Im Stillen wird bereits entwickelt, gebaut und getestet. So z. B. bei Boeing. Entsteht ein neues Shuttle? Oder ein Weltraumbomber? Ein superschnelles Transportflugzeug? Die Boeing X-37B ist das erste amerikanische Fluggerät,

das vollautomatisch aus der Erdumlaufbahn in die Atmosphäre eintrat und landete. Aber ihr Zweck bleibt ein Rätsel.

Sie ähnelt dem Space Shuttle, ist aber mit neun Metern nur ein Viertel so lang. Und sie ist unbemannt, ein selbständig fliegender Roboter. Boeing macht nur vage Aussagen über ihre Verwendung: „Ihre Aufgaben umfassen Weltraumforschung, Risikoverminderung und konzeptionelle Entwicklung wieder verwendbarer Raumfahrzeuge.“ Experten spekulieren, dass sie Instrumente zur Spionage an Bord hat oder zur Sabotage feindlicher Satelliten. Andere vermuten, die X-37B könnte Truppen oder Waffen um den Globus transportieren.

Hoffen wir, dass das Fluggerät einmal nur zur Erforschung des Kosmos eingesetzt wird.

 

K.F

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Im Juli hatten Geburtstag

 

Frau Lucia Martha Mokelke Hagen; Herr Ulrich  Fügenschuh Aurich;

Herr Otto Lippert Homburg; Herr Karl-Peter Stracke Abendsberg;

Herr Rainer Höll Karlshagen; Herr Ferdinand Erbe Dresden

 

Im August hatten Geburtstag

 

Monsieur Roland Hautefeuille Paris; Herr Mathias J. Blochwitz Berlin;

Herr Karl Winterfeld Dessau; Herr Klaus Ost Bingen; Herr Peter Sell Kiel

Herr Norbert Höllerer Floß; Herr Erich Schäfer Wanderup

 

Im September haben Geburtstag

 

Herr Dipl.-Ing. Walter Gademann München; Herr Jürgen Bock Lauterbach

Herr Winfried Gaube Hanshagen; Herr Heinz Grösser Hainburg;

Herr Herbert Laabs Holzminden; Herr Martin Zenker Kütten

 

 

Pressespiegel

 

OZ 08.07.2011

Peenemünde profitiert von neuem Teamgeist

 

Land, Kreis und Gemeinde verabreden weitere Vorhaben. Minister Tesch stellt wissenschaftlichen Museumsbeirat in Aussicht.

 

Peenemünde (OZ) - Der Knoten ist durchschlagen, der Mentalitätswechsel vollzogen. Henry Tesch findet eindringliche Worte, um die positive Entwicklung der nördlichsten Inselgemeinde in der jüngeren Vergangenheit zu beschreiben. Assistiert von seinem Parteifreund und Kabinettskollegen Jürgen Seidel (Wirtschaft und Tourismus), legt der Kultusminister mit CDU- Parteibuch gestern vor Ort gleich noch einen Trumpf nach: Ja, es sei abgemacht, dass im neuen Jahr ein wissenschaftlicher Beirat installiert werde. Der soll sich besonders damit beschäftigen, mit welchem Museumskonzept es in Peenemünde mittel-und langfristig weitergeht.

„Ich favorisiere eine Findungskommission, an der möglichst viele Seiten mitwirken“, sagt Tesch weiter und bemerkt zufrieden, dass Experten bereits Bereitschaft bekundet hätten, daran mitzuwirken.

„Sie glauben gar nicht, wo überall in der Welt mit riesigem Interesse von Peenemünde gesprochen wird.“ Nach Jahren der Stagnation und des Streites reden nun offenbar alle Seiten unvoreingenommen miteinander, und sie handeln auch: Land, Kreis, Amt, Gemeinde, Museum, Einwohner, private Investoren.

„Nicht auszudenken, wenn auch der Bund sich noch beteiligen würden“, sagt Bürgermeister Barthelmes mit einem Anflug von Zynismus. Schließlich hatte sich gerade die Veräußerung und (inzwischen erfolgte) Beräumung von großen, dem Bund gehörenden Ex-Militär-Arealen schier endlos hingezogen. Jetzt sprießt hier frisches Grün, ebenso wie an der Bahnhofstraße, wo noch vor einem halben Jahr leerstehende Ruinen Gäste regelrecht abschreckten. Der Wandel zum Neuen, Attraktiven ist derzeit nirgendwo auf Usedom so eindringlich zu erleben wie im Inselnorden.

„Die ersten Erfolge sind da, wir müssen weitermachen. Denn wir haben hier, bei aller Brisanz, einen touristisch außerordentlich wichtigen Standort“, plädiert Jürgen Seidel für politisches Engagement auch außerhalb von Wahlkampfzeiten. Und er überreicht dem Ortsoberhaupt einen Fördermittelbescheid über rund 50 000 Euro für das Entwicklungskonzept der Gemeinde. Vorbei scheint die Zweiteilung Peenemündes in (hässlichen) Ort und (spannendes) Museum. Nur miteinander können wir uns behaupten, lautet der verkündete Konsens. Und Seidel schürt weitere Hoffnung — auch für die hässlichen, maroden Wohnblöcke an der Hauptstraße.

Die Renaturierungsmaßnahme „Cämmerer See“ bleibt diesmal Randthema, doch Tesch gibt sich auf Nachfrage entschlossen: Ja, das sei mit der Ausrichtung auf das (ebenfalls nicht unumstrittene) Weltkulturerbe machbar. Hierbei sei auch ein Stück weit „der Weg das Ziel“. Und: „Einen deutschen Antrag wird es nicht geben“, versichert der Kultusminister. Die Sache müsse und könne nur eine internationale sein, das Nachbarland Polen eingeschlossen. „Viele sind bereit, mit uns zu sprechen. Wo wir am Ende landen, weiß heute freilich noch keiner.“ Während draußen viele Besucher die Museumsexponate bestaunen (die Besucherzahlen sollen wieder steigen), spricht Frank Adam, Eigentümer des Schullandheimes, seine Perspektive aus. Er möchte, gemeinsam mit dem Deutschen Jugendherbergsverband, hinter dem Kraftwerk ein neues Domizil errichten. Und die Zeichen stehen offenbar günstig.                    Steffan Adler

OZ 12.07.2011

 

Brückenschlag nach Moskau

 

Historisch-Technisches Museum vereinbart Zusammenarbeit mit dem Kosmonauten-Museum in der russischen Hauptstadt. Austausch von Exponaten geplant.

 

Peenemünde (OZ) - In einem Moskauer Krankenhaus ist eine Partnerschaft auf den Weg gebracht worden, die dem Historisch-Technischen Museum (HTM) Peenemünde neue Perspektiven eröffnet.

„Wir haben mit dem Kosmonautenmuseum Moskau eine Kooperationsvereinbarung geschlossen“, sagte gestern HTM-Geschäftsführer Michael Gericke bei der Vertragsunterzeichnung in Peenemünde. Eigentlich sollte mit Juri Solomko der Direktor des russischen Partners an Gerickes Seite sitzen, doch Solomko liege gegenwärtig in einem Moskauer Krankenhaus. „Der Stellvertreter ist aber ins Hospital gefahren, um die Vereinbarung unterzeichnen zu lassen“, so Gericke.

Der Vertrag beinhaltet die wechselseitige Unterstützung bei Ausstellungen, die Weitergabe von historischen Quellen und Informationen und die Öffnung der Archive. „Darauf sind wir am meisten gespannt.

Vielleicht kann der Einblick weitere Lücken schließen“, hofft der HTM-Geschäftsführer.

Neben der Zusammenarbeit bei museumspädagogischen Konzepten haben beide Museen auch den Austausch von Leihgaben vereinbart. Zunächst wolle man sich auf Exponate beschränken, „die in einen Koffer passen. Bei größeren Ausstellungsgegenständen müssen beim Transport noch Versicherungs- und Zollfragen geklärt sein“, sagt der HTM-Chef, der Anfang des Jahres mit dem Kultus-Staatssekretär Udo Michallik in Russland war.

Nach Moskau sind die Drähte nun gespannt, ins US-amerikanische Huntsville auch. Mit dem dortigen US Space & Rocket Center gibt es ebenfalls eine Kooperationsvereinbarung. Schließlich liebäugelt MV-Kultusminister Henry Tesch (CDU) noch immer mit einem transnationalen Weltkulturerbe der drei Raketenstandorte Peenemünde, Huntsville mit dem Startplatz Cape Canaveral sowie dem russischen Baikonur.

„Polen bleibt aber auch ein wichtiger Partner“, betont Gericke und weist auf eine Ausstellung in Swinemünde hin, die am 22. Juli eröffnet werden soll. Dabei geht es um den Kampf der polnischen Armee im Zweiten Weltkrieg und die Entwicklung von Waffen. „Wir werden uns anschauen, in welchem Kontext die Ausstellung steht und wie sich das HTM mit Leihgaben und Know-how einbringen kann“, so Gericke.

Auf den verstärkten Besucherstrom aus dem Nachbarland - 2010 waren es zwischen 15 000 und 20 000 polnische Gäste - hat das Museum reagiert. Die Exponate im Außengelände wurden dreisprachig (deutsch, polnisch und englisch) beschildert. Sukzessive soll die polnische Sprache auch in der Dauerausstellung im Kraftwerk Einzug halten.

Kinosaal und Nahrung

Das Kosmonauten-Museum in Moskau wurde 1981 eröffnet. Der Schwerpunkt der Ausstellung liegt auf der sowjetischen und russischen Geschichte der Weltraumforschung. Nach dreijährigem Umbau ist 2009 aus dem verstaubten Museum eine moderne Ausstellung mit Raumfahrtapparaten und Flugsimulatoren geworden.

Über 3500 Exponate, darunter befindet sich auch ein begehbarer Nachbau der sowjetisch bemannten Raumstation „Mir“, werden auf einer rund 8000 Quadratmeter großen Ausstellungsfläche präsentiert. Im Museum befinden sich ein Kinosaal sowie ein Geschäft mit Kosmonautennahrung.

Jährlich kommen rund 400 000 Gäste.

Henrik Nitzsche

 

OZ 23.07.2011

 

Fort Gerhard ermöglicht zwei Sichtweisen auf Peenemünder Geschichte

 

Piotr Piwowarczyk startet heute in Swinemünde eine mutige Ausstellung: Erstmals werden Exponate des Krakauer Museums der Polnischen Untergrundarmee und des Historisch-Technischen Museums zur V 2 gemeinsam gezeigt.

 

Swinemünde (OZ) - Das in Ostswine befindliche Fort Gerhard verdankt es einem Zufall, dass es aus dem Dornröschenschlaf erweckt wurde, in das ihn die Sowjetarmee 1962 versetzte, als sie sich aus der Festungsanlage zurückzog. Der Danziger Journalist und Hobbyhistoriker Piotr Piwowarczyk hatte seinen Zug verpasst. Die Zeit bis zur Abfahrt des nächsten vertrieb er sich mit einem Spaziergang in Richtung Düne, als er auf das Fort stieß. Piwowarczyk erkannte sofort das kulturhistorische und touristische Potenzial. Während die Stadt noch immer von einem reichen Investor träumte, der das Fort im Handstreich saniert und vermarktet, bewarb er sich dreimal vergeblich um die Pacht. Im vierten Anlauf wurde ihm das Areal 2001 überlassen, und der Danziger begann mit dem Aufräumen. Bevor die ersten Touristen das Fort zu sehen bekamen, räumte er Berge von Müll und Schutt beiseite und begann, die einzelnen Kammern, Gänge und Räume zu sanieren und auszuschildern. Vorerst auf Polnisch, zweisprachige Schilder in Polnisch und Deutsch sind jetzt in Arbeit.

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Die Briefe von Roman Träger nach Großbritannien gingen offiziell an seine Frau                      Foto: ag

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Piwowarczyk steckte junge Polen in preußische und kaiserliche Uniformen und ließ sie auf die Besucher los, um diese, überspitzt komisch, militärisch zu drillen. Während diese Art Humor sich polnischen Gästen meist leicht erschließt, suchen deutsche mitunter vergeblich nach einem Bezug. Ihnen fehlt das Wissen um eine populäre Comedyserie, die die in der preußischen Armee dienenden Polen auf die Schippe nimmt. Während der Führung durch die Festung bekommen sie aber auch hintergründiges

Wissen über deren Rolle in den kriegerischen Auseinandersetzungen mit Frankreich und Dänemark vermittelt. Im zehnten Jahr kann Piwowarczyk bereits auf mehrere erfolgreiche Ausstellungen zurückblicken. Eine davon zeigt alle Festungen im Ostseeraum, von denen Fort Gerhard als die besterhaltene gilt. Eine andere zeigt die 1000-jährige Geschichte der Festungen an der Swine. Fort Gerhard war eine von vier, von denen es heute noch drei gibt. Piwowarczyk präsentiert zu diesem Thema einige Raritäten, wie eine original erhaltene Feldküche mit 180 Teilen aus dem Jahre 1916 oder eine Feldtoilette aus dem 19. Jahrhundert. Mit der heute eröffneten Ausstellung betritt der Danziger, der sich aus Begeisterung für die Region längst als Swinemünder fühlt, Neuland. In Zusammenarbeit mit dem Krakauer Museum der Polnischen Untergrundarmee und dem Historisch-Technischen Museum (HTM) Peenemünde wird die Geschichte Peenemündes aus zwei Perspektiven beleuchtet, erstmals an einem Standort. Erzählt wird die Geschichte von Roman Träger, einem in Bromberg geborenen Polen, der während des Zweiten Weltkrieges in der Deutschen Armee diente. Er schmuggelte die Baupläne einer in Südpolen abgestürzten V 2 in an seine Frau gerichteten Briefen nach Großbritannien. Piwowarczyk ist überrascht, wie unkompliziert die Peenemünder auf seine Idee eingingen und Ausstellungsteile beisteuerten. „Mit dieser Exposition wollen wir deutlich machen, dass es immer sehr verschiedene Sichtweisen auf die Geschichte gibt, die gegenseitig zu akzeptieren sind. Man muss die Unterschiede analysieren und ohne Hass nach einem Treffpunkt suchen. Irgendwo stößt man auf die Wahrheit.“

 

HTM-Geschäftsführer Michael Gericke hat sich gern auf dieses Experiment eingelassen und einen polnischen Praktikanten einbezogen. Gericke zollt Piwowarczyk Respekt für dessen Sanierungsleistung und bisherige Geschichtsausstellungen. „Den Bogen von der Polnischen Untergrundarmee zu Peenemünde zu spannen und damit eine polnische Reflektion auf Peenemünde zu schaffen, finde ich spannend“, sagt Gericke. Piotr Piwowarczyk knüpft konkrete Erwartungen an die neue Ausstellung, die bis Ende Oktober täglich von 9.30 bis 19 Uhr geöffnet sein wird. Er ist überzeugt, dass eine derart detaillierte Auseinandersetzung mit der Geschichte aus zwei Perspektiven befähigt, die richtigen Lehren aus der Geschichte zu ziehen. Und er wünscht sich, dass sich möglichst viele Schulklassen auf das Thema einlassen.

 

Fort Gerhard

 

Neben der Westbatterie und der Engelsburg ist Fort Gerhard (Ostbatterie) auf Wollin eine von vier Festungen, die es einst an der Swine gab. 1856 bis 1863 erbaut, ist sie heute in Teilen wieder aufwändig saniert. Das Fort ist von einem Graben umgeben, weshalb der Eingang früher nur über eine Zugbrücke möglich war. Seit 1880 galt Fort Gerhard als befestigte Küstenbatterie mit artilleristischer Ausstattung. Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm es die Sowjetarmee in Besitz. Von dieser Zeit künden heute große Löcher in den Gemäuern, hinter denen die Russen Schätze der Deutschen vermuteten. 2001 übernahm Piotr Piwowarczyk das Fort und begann mit der Sanierung.

Angelika Gutsche

 

 

 

 

 

 


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